Der zweite Teil meines Digitalen Tagebuchs auf Europe Online von 1996.
Millenium-Wechsel
mak@muc032.96.00:01
Bei der heimischen Express-Auswertung der Presse, bevor sie in die Papiertonne wandert, sticht eine Anzeige im Reiseteil der Münchner Abendzeitung ins Auge: „Silvesterparty 1999/2000“. Der Reisevermittler AST Reisen in Viersen nimmt Buchungen für einen Silvesterflug zum Jahrtausendwechsel von Frankfurt über Singapur, Tokio und Los Angeles zurück nach Frankfurt entgegen. Besonderer Clou der Reise: Da es entgegen der Zeitzonen geht, kann man während der Reise gleich zweimal den Jahrtausendwechsel feiern. Einmal in Tokio und einmal in Beverly Hills/Los Angeles.
Mal davon abgesehen, welchen Streß solch ein Silvester-Trip wohl bringt, die Aussicht, solch einen Tag in der Beengtheit eines Jets zu verbringen, ist wirklich nicht sehr verheißungsvoll. Außerdem ist zu erahnen, an attraktiven Orten in der Kürze der Zeit wohl die Champagner-Kelche (oder doch nur Sekt?) klirren werden: schlimmstenfalls gleich im Flughafen in Tokio.
Aber vor allem schreckt die Vision, schon heute diesen Tag zu verplanen. Das kann eigentlich nur sehr ordnungsliebende und planungsbegeisterte Menschen begeistern. Mir ist die Vorstellung ein Graus. Ich assoziiere die Idee, als würde bis zu dem magischen Datum nichts mehr passieren, als würde bis dahin die Welt stehenzubleiben haben. Dabei sind es noch gute 1800 Tage bis dahin.
Interessant ist in dem Zusammenhang, mit welch unterschiedlichen Worten und Ausdrücken das magische Datum des Jahres 2000 benannt wird. Ganz hochtrabend heißt es „Millenium“. Der lateinische Ausdruck (Jahrtausend) vermittelt den Eindruck, daß wirklich wahrhaft Gewaltiges und Historisches passiert. Andere reden ergriffen vom „Jahrtausendwechsel“, so als gäbe es Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen eines Jahrtausends. Wir dürften den Menschen des Jahres 2996 mindestens ebenso frühzeitlich erscheinen wie uns den Menschen des Jahres 996.
Bescheidenere Gemüter nennen das Datum lieber „Fin de siecle“ oder „Jahrhundertwende“. Ein etwas sympathischerer Begriff. Das Fin de siecle ist ein alle 100 Jahre stattfindendes Phänomen, an dem sich die Menschen bisher immer wieder zu einer neuen Aufbruchsstimmung aufraffen konnten. Irgendwie ist es unwahrscheinlich, bloß weil diesmal ein Jahrtausendwechsel ansteht, daß diese Aufbruchsstimmung entsprechend größer und markanter sein wird.
In Wahrheit kümmert sich der Lauf der Dinge keinen Deut um Jubiläen und gerade Datumszahlen. Es waren zuletzt immer technologische Erfindungen und ideologische Ideen, die den Lauf der Welt entscheidend prägten. Die Dampfmaschine, der Motor, die Elektrik, der Transistor, der Computer… – Kapitalismus, Sozialismus, Ökologie… – Diese Erfindungen und Ideen hielten sich nie an den Kalender, sie passierten einfach.
Oder hätte etwa das Internet noch fünf Jahre still warten sollen, bis es pünktlich zum Jahrtausendwechsel unsere Medienparadigmen entscheidend verändern wollte? Eine herrlich absurde Vorstellung.
Anonyme Post
mak@muc033.96.14:44
Manchmal stellt man sich die Cyberwelt zu schön vor. Nach meinem Umzug habe ich Brief um Brief den verschiedensten Leuten, Institutionen, Firmen etc. meine neue Adresse mitzuteilen. Um so mehr freut die (seltene) Möglichkeit, das per E-mail zu tun.
Logisch, daß ich gleich mein „Wired“-Abonnement per E-mail zur neuen Adresse umdisponiere. Die Mail an die im Heft angegebene Adresse „subscriptions@wired“ ist schnell geschrieben und losgeschickt… Die Reaktion verblüffte. In mehrfacher Hinsicht. Keine drei Minuten später war schon eine Antwort in meinem Briefkasten, abgeschickt um 02:23 Uhr nachts Ortszeit in San Franzisco. Die rasche Replik erklärte sich schnell. Es war eine aut0matische Antwort – mit frustrierendem Inhalt:
„Hi, thanks for writing. This is an automated response. – PLEASE READ THIS !!! – This is an AUTOMATIC reply. No human is reading your message, unless we’ve specifically told you otherwise. Several people recently have been sending messages here and then waiting in vain for a reply, because they do not read the rest of this message.“ Eine herbe Formulierung: „No human is reading your message, unless weíve specifically told you otherwise.“ (Frei übersetzt: Kein Mensch liest ihre E-mail – es sei denn sie folgen unseren Anweisungen.)
Es ist ein sehr komisches Gefühl, seine Nachricht ins Nichts geschickt zu haben. Man hat mit seiner Mail nicht einmal mit einem Computer kommuniziert, sondern nur einen automatischen Reflex verursacht. Diese Art von Kundenservice erinnert doch sehr an die düsteren Visionen des Cyberspace, seien sie von Orwell, Huxley, Gibson oder anderen formuliert worden. Hier erlebt man einen Vorgeschmack der oft beschworenen, entseelten, automatisierten, entpersönlichten, nur noch „sogenannt“ zu nennenden Kommunikation.
Weiter unten in der Mail-Replik von „Wired“ bekommt man wie versprochen genaue Anweisungen, was man für diverse Fälle zu tun hat. Je nach Wunsch (z.B. Adressenänderung, Abo-Kündigung etc.) hat man ein bestimmtes Stichwort zu mailen, auf das man dann ein genormtes Formular (per E-mail) geschickt bekommt, das genau auszufüllen ist. Dort wird sogar ein kleiner Raum für „comments“ eingeräumt. – Keine Ahnung, ob die dann von „humans“ gelesen wird.
So schön automatisierte und computerisierte Kommunikation sein kann. In der von „Wired“ unpersönlich praktizierten Weise werden schlimmste Befürchtungen überflüssigerweise erfüllt. Ein Kundenservice der Zukunft sollte nicht nur automatisiert, sondern zugleich auch humanisiert werden. Wenn die Maschinen unfreundlicher und abweisender als grantige Menschen an Service-Telefonen sind, werden sie nie die Gunst der Kunden gewinnen. Und damit sind alle Ideen von Rationalisierung Makulatur. – Zu recht!
Web-Sympathie
mak@muc034.96.09:32
Wie steht es wohl um das Image von Websurfern in Deutschland? Wir vermuten, es ist nicht übermäßig gut. Zumindest der Vorwurf, Internet-Usern seien beziehungsgestört, da am Bildschirm vereinsamt und nur mehr chat-kommunikativ, wird hierzulande immer wieder gerne erhoben.
Anders in den USA. Die Zeitung „USA Today“ veröffentlichte eine Umfrage unter der amerikanischen Bevölkerung nach dem Image von Netsurfer. Das Ergebnis ist überraschend positiv:
91 Prozent schätzen Netsurfer als fortschrittlich (trying to get ahead) ein.
90 Prozent halten sie für besonders erfolgreich.
78 Prozent gehen davon aus, daß eifrige Internet-User familienorientiert sind.
Nur 52 Prozent halten sie für Technik-Langweiler (Nerds).
35 Prozent für langweilig.
33 Prozent für Stubenhocker (couch potatoes).
Am meisten überrascht bei dem Ergebnis, daß Online-User weit in den USA im Ruf stehen, nicht Technikfreaks, sondern Familienmenschen zu sein. Amerika hat den großen Vorteil des Webs erkannt: zu Hause und zeitsouverän arbeiten zu können. Und sie haben den Family-Value des Web erkannt.
Das Web bietet längst Inhalte für jeden in der Familie: für Mann, Frau und Kinder. Das Web ist weit eher ein neuer Familienkommunikator und eben nicht das hierzulande befürchtete Vereinsamungsinstrument. Oft schafft die Erfahrung, Web-Kompetenz von den eigenen Kindern beigebracht zu bekommen, ein völlig neues Gemeinschaftsgefühl in Familien.
Web-Masochismus
mak@muc035.96.02:01
Gelungenster Werbespruch einer Web-Site bisher:
Hit us.
Hit us hard.
Hit us often.
So wirbt der amerikanische „Philadelphia Inquirer“ für seinen Webservice: http://www.phillynews.com
Eine ganz neue Art von Masochismus: Web-Hit-Lust. Es ist wunderschön mehr und mehr Hits einstecken zu müssen. – In diesem Sinne, liebe User…
Net-Romanzen
mak@muc036.96.12:01
Diane Goydan, Hausfrau im US-Staat New Jersey, geht in die Geschichte des Internet als erste Frau ein, die aufgrund einer Romanze im Net geschieden wird. Über Monate hinweg hat sie mit einem – verheirateten! – Mail-Partner (Nickname: „Wiesel“) „Liebesbriefe, Gedichte und anzügliche Beteuerungen“, wie die Agenturmeldung zu berichten weiß, ausgetauscht.
Der Ehemann von Diane kam hinter die elektronische Affäre, als er einmal früher von der Arbeit nach Hause kam und seine Ehefrau beim Flirt im Netz erwischte, heißt es. Am meisten entsetzte ihn die Tatsache, daß die beiden Netzverliebten bereits ein leibliches Aufeinandertreffen in einer Pension vereinbart hatte. Grund genug für ihn, die Scheidung einzureichen.
Reale Romanzen im Netz passieren. Wie das so ist und was man dabei fühlt, schildert wunderbar eindringlich und poetisch Peter Glaser in seinem Buch „24 Stunden im 21. Jahrhundert – Onlinesein“ (Zweitausendeins). Glaser lernte seine Lebenspartnerin Rosa in frühen Internet-Zeiten in einer Mailbox kennen. Über Monate hinweg chatteten sie sich immer näher zueinander und tauschten immer öfter persönliche Gedichte und Mails aus.
Peter Glaser: „Wir verliebten uns ineinander. (…) Ich hatte mich noch nie in eine Frau verliebt, die ich noch nie gesehen hatte. Das Sonderbarste war meine Angst, es nicht ernst zu meinen, sondern irgendwo außerhalb der bewußten Kontrolle ein abgehobenes Spiel zu spielen.“
Die Liebesaffäre von Peter Glaser (Nickname: „Poe“) und Rosa fand über Monate nur „schriftlich“ statt: in Mails, Texten, Chats. Glaser: „Was ich bemerkenswert finde: daß all das rein durch Worte geschehen ist. Ich war beschämt, daß ich an der Sprache gezweifelt hatte. (…) Ein paar Worte reichen für ein Wunder.“
Die Überführung der „schriftlichen“ Online-Beziehung in die Realität eines realen Zusammenlebens war laut Glaser weit einfacher, als man erwarten könnte. Die sprachliche Intimität half hier anscheinend: „Wir telefonierten miteinander. Ich meine ohne Modems und Rechner dazwischen. Stimme. (…) Wir waren beide nervös, aber die Nervosität beruhte auf einem soliden Fundament. Ich fühlte, daß längst alles klar war. Wir waren ein bißchen hilflos beim Reden, wie zwei, die schlecht englisch sprechen, es aber aus Rücksicht auf ausländische Gäste trotzdem tun.“
Die reale Begegnung schließlich war, so Glaser, völlig unproblematisch: „Als Rosa und ich einander nach drei Monaten das erste Mal leibhaftig begegneten, war es ein wundervoller Triumph über ein Jahrhundert der Bilder. Wir küßten und umarmten einander schwerelos von dem schönsten Gefühl. – Am Tag darauf schrieb ich meiner damaligen Freundin, daß ich sie verlasse…“
Soweit zu dem Vorurteil, daß man online unweigerlich vor dem Bildschirm vereinsamt. – Und übrigens: wir wünschen Diane Goydan alles Gute für ihre neue Zukunft…
Sampling-Kultur
mak@muc037.96.08:55
Eine der besten CDs des Jahres 1995 war „Everything Is Wrong“ von Moby. Nun gibt es als Doppel-CD die „Mixed!+Remixed!“-Version davon als „Non-Stop DJ Mix“ von „Evil Ninja Moby“. Die CD sollte man, wenn man auf Hard Techno, Ambient, Hard House, Acid und Trance steht, auf jeden Fall in seiner Sammlung haben. Die Mixes sind wirklich besonders gut gelungen.
Mir gefällt aber darüber hinaus die Idee dieser CD. So schnell wie heute Musiktrends wechseln, kommen die Arrangements von Songs heutzutage schnell außer der Mode. Moby scheint nicht erst auf Coverversionen warten zu wollen, die seine Songs neu interpretieren. Er macht das lieber gleich selbst. So werden aus Techno-Songs Hard-House Mixes, so werden aus aggressiven Beats sphärische Ambient-Elegien.
Moby sprengt dabei die üblichen Mix-Editionen, die seit der DJ-Kultur üblich sind. Er kocht die alten Songs nicht nur neu. Er zeigt, wie wandelbar seine Songs sind und wie vielseitig sein musikalisches Talent. Er erzeugt aus demselben Ursprungsmaterial wirklich völlig neue, eigenständige Werke. Er updatet sie optimal.
Im digitalen Zeitalter, in dem die neuesten Songs meist Samplings sind, ist dieses stilistische Updating kein großes technisches Problem. Man greift ganz einfach auf die digitalen Versatzstücke zurück und setzt sie in ein neues Klang und Rhythmus-Ambiente. Das sieht auf den ersten Blick lapidar aus, ist aber in Wahrheit ein sehr diffiziler Vorgang, wenn daraus nicht nur Klischees (als Hitparadenware) entstehen sollen. Es gehört dazu eine perfekte Mischung aus Musikalität und Zeitgeistgefühl.
Moby besitzt beides im Übermaß. Er ist einer der talentiertesten Sampling-Künstler der Gegenwart. (Andere vorbildliche Namen: Brian Eno, Tricky, Black Dog, Future Sound of London u.a.) – Sampling-Künstler sind die großen künstlerischen Protagonisten des digitalen Zeitalters. Sie machen aus Bits und Bytes Kunst. Sie transformieren die neue computergestützte Technik der Digitalität in Materie für zeitgemäße Kultur.
Make Better
mak@muc038.96.01:34
Die Remix-CD von „Moby“ (s.u.) ist nicht nur wegen ihrer Songs bemerkenswert, sondern auch wegen der Texte des CD-Covers. Im Booklet zu „Everything Is Wrong“ waren mehrere Essays zum Thema des ökologischen Zustands unserer Welt zu lesen. Tenor dieser ebenso düsteren wie faktenreichen Vision von Moby: „Everything Is Wrong“.
Die neue Remix-CD setzt dem düsteren Pessimismus einen Katalog möglicher Alternativen, Besserungswege und Gegenmittel entgegen. – Auch hier das Prinzip des Update. Statt ökologischer Apokalypsen-Tristesse nun (zukunfts-)optimistischer, fröhlicher und dabei realistischer Aktionismus.
Hier das Sampling der Tips von Moby, wie die Welt – und das Leben jedes Einzelnen besser werden könnte. Sie ist so genial wie cool:
- Don’t tolerate injustice
- Don’t tolerate cruelty
- Stop eating animal products
- Vote
- Write your elected representatives
- Be honest
- Dance a lot
- Talk to strangers
- Find work that satisfies you
- Play games
- Go outside
- Stop smoking
- Eat organically grown food
- Read a lot
- Make music/learn an instrument
- Write letters
- Entertain people
- Don’t buy products tested on animals
- Throw away your car
- Stay up late
- Wake up early
- be active
- Walk in the woods
- Protest
- Make yourself happy
- Be in love with God
- Have sex with someone you love
- Invite your friends over for dinner
- Get involved with eco-terrorism
- Support Amnesty International, PETA and any organisation that does good work
- Be tolerant of differences
- Walk
- Sit on rooftops
- Climb in trees
- Swim
- Learn a language
- Apologise to the rest of the world
- Recycle
- Buy used clothing
- Assume that you’re wrong
- Use public transportation
- Find out abour renewable sources of energy
- Image a world without people
- Make bread
- Sing
- Write messages on walls
- Draw pictures
- Go somewhere you’ve never been
- Run
- Get angry about what we’re doing to this planet and its inhabitants
- Talk to old people
Den einzigen Punkt, den ich hinzufügen möchte:
- Zeigt diese Liste allen, die mies über „die heutige Jugend“ herziehen, zeigt sie allen Pessimisten und zeigt sie allen, die den Untergang der Welt prophezeien oder herbeisehnen…
Abreise
mak@muc039.96.09:28
Abreise zur Milia nach Cannes, zur größten europäischen Messe in Sachen New Media. Vor einem Jahr wurde dort Europe Online offiziell aus der Taufe gehoben. Jetzt, ein Jahr später, präsentieren wir dort Tausende von Seiten – online.
Eine andere Möglichkeit, uns zu live erleben, ist die Aktion 24 Hours in Cyberspace, an dem wir mit einer – nicht ganz ernst gemeinten – Schilderung unseres Arbeitsalltages mitmachen. Wir zeigen typische 24 Stunden in unserem kleinen Cyberspace am Rosenkavalierplatz in München.
Laurie Anderson
mak@can040.96.19:09
Milia in Cannes. Zuviel Eindrücke und zuwenig Zeit, sie ausführlich festzuhalten.
Am Vormittag gibt Laurie Anderson eine launige Rede. Ihre Gags macht sie vorzugsweise auf Kosten von Deutschen. Sie muß nur erwähnen: „One of theses multimedia-events in Germany“ und schon hat sie ihren Lacher. Oder noch besser: „There happened a speech of one of these German professors…“. Und schon wurde im Kongreßsaal breit abgelacht. – Wir Deutschen gelten nach wie vor als Perfektionisten, als Umstandskrämer und Besserwisser – mit beneidenswert viel Marktmacht.
Interessant Laurie Andersons Beobachtung, daß es ihr immer mehr Mühe macht mit der technischen Entwicklung im Net mitzuhalten – Stichworte: HTML 3.0, Hot Java, VRML, Shockwave etc. Ihre Sorge ist, und das ist durchaus nachzuvollziehen: Vor lauter technischer Entwicklung und Weiterbildungsdruck kommen die Inhalte – und der Spaß – im Internet zu kurz. Ihre Angst: die Entwicklung im Net mit immensen Userwachstumszahlen und immer neuen technischen Applikationen wird zu einem „race to nowhere“.
Ein schönes Bild am Schluß der Rede von Laurie Anderson als Replik auf Maschinenstürmer, Internethasser und Net-Zensoren: „What is faster than the speed of light? – The speed of fear.“ (Was ist schneller als die Lichtgeschwindigkeit? Die Geschwindigkeit der Angst)
Douglas Adams
mak@can041.96.20:12
Douglas Adams, der Autor der legendären Trilogie in vier Teilen „Per Anhalter durch die Galaxis“ produziert mittlerweile Filme und hat zuletzt eine Firma gegründet, die virtuelle Environments im Net kreieren will. Sein Beitrag zur Milia-Präsentation und -Diskussion über virtuelle Welten ist bemerkenswert, sowohl von der Form her (er ist ein begnadeter Erzähler, weil unbegabter Rhetoriker), als auch vom Inhalt her.
Die Kernthese von Douglas: Wenn wir virtuelle Welten, etwa personalisierte Chats (World Chat, Avatare etc.) schaffen, dürfen wir sie nicht künstlich „virtuell“ gestalten, also auf besonders modern, cybermäßig etc. trimmen, sondern müssen möglichst viel Offenheit bieten.
An zwei Beispielen aus der Tierwelt zeigt Douglas, wie eng und virtuell unsere Alltagswelt sowieso schon ist. Um so schlimmer wäre es, sie noch einmal künstlich, sozusagen aus Hippness-Gründen einzugrenzen.
Beispiel 1:
Bei einer Untersuchung an Delphinen wurden die Tiere darauf getrimmt, jeweils einen Ton zu geben und aus dem Wasser zu springen. Dafür wurden sie dann mit einem Fisch belohnt. – Das klappt beim Test zunächst wunderbar. Aber im Laufe des Tests reagieren die Delphine immer eigenartiger. Sie geben immer kuriosere Töne von sich und springen zuletzt aus dem Wasser, ohne daß irgendwelche Töne zu hören sind. Und das tun sie auch, ohne mit Fischen belohnt zu werden (sie hatten ja versäumt, Töne zu geben.) – In der Nacht, bei genauerer Auswertung, erklärt sich das Phänomen. Die Delphine hatten versucht, das Hörvermögen ihrer Tester zu kalibrieren. Sie haben Töne im für Menschen nicht mehr hörbaren Bereich von sich gegeben – die Wissenschaftler hatten sie nur nicht gehört (und ihnen deswegen fälschlicherweise die Fische als Belohnung vorenthalten.)
Erkenntnis 1:
Unsere reale Welt des Hörens ist immens beschränkt. Für Lebewesen wie Delphine, deren Welt aus Tönen und Schwingungen besteht, sind wir reichlich tumbe Geschöpfe. Wenn sie uns helfen, wie viele Legenden erzählen, tun sie das vielleicht nur aus Mitleid?
Beispiel 2:
Rhinozerosse können bekanntlich sehr schlecht sehen, bestenfalls zehn Meter weit. Daher die Mär, daß Rhinos dumm und tumb sind. In Wahrheit sind sie uns nur optisch unterlegen, vom Geruchssinn her aber weitaus überlegen: Rhinozerosse können kilometerweit riechen. Sie können erreichen, welche Art von Lebewesen in ihrer Umgebung sind. Sie können riechen, wo es frisches Gras gibt, wo frisch gemähtes. Sie können riechen, welche ihrer Artgenossen (weiblich? männlich?) in welchem Abstand und vor allem auch in welchem Zustand (böse, hungrig, müde, gut gelaunt, verliebt/läufig, aufgeregt, lustig) leben. Ja sie können sogar riechen, wann das war, sogar einige Tage zurück. In ihrer Geruchswelt kennen sie demnach den Faktor Zeit. Das ist, als könnten wir sehen, was gestern am selben Platz passiert ist.
Erkenntnis 2:
Unsere virtuelle Welt der Gerüche ist extrem beschränkt. Und vor allem kennt unsere Wahrnehmung keinen Zeitfaktor.
Douglas Adams Schluß: Laßt uns angesichts der Beschränktheit unserer realen Welt, die eigentlich auch nur ein Mix aus virtuelle Welten ist, die sehr vielen Beschränkungen unterliegt, nicht noch „virtueller“ machen.
Rückflug
mak@can042.96.16:01
Die „Milia“ geht für mich zu Ende. Schön, endlich wieder einmal viel Sonne und vor allem auch eine wärmende Sonne erlebt zu haben. – Sie ist zu dieser Jahreszeit, wenn man ehrlich ist, eine der großen Erfolgsfaktoren dieser Messe. Wirklich Neues gab es nämlich auf der Milia so gut wie nicht zu sehen. Trotzdem sind Massen von Besucher (bei astronomischen Preise!) gekommen. Deswegen gab es eine Menge interessanter Treffen, Gespräche und Kontakte. Aber in Wahrheit hat nicht Multimedia diese Menschen zusammengeführt, sondern die Sonne und das besondere Ambiente an der Cote d‘ Azur.
Palaver
mak@muc043.96.15:05
Nachtrag zur Milia: Auf die Frage, ob er nicht auch die Informationsflut, die das Internet generiert für fürchterlich halte, gab Douglas Adams eine sehr schlüssige Antwort.
Er findet, daß das Internet uns endlich eine Kommunikationsform zurückgibt, die wir im technischen Zeitalter verloren hatten.
Adams erinnerte an die Frühzeiten menschlicher Existenz. Damals gab es folgende Kommunikations-Arten: Eins zu Eins, Einer an Viele, Viele an Viele.
Die heutigen Kommunikationsmittel haben bisher nur die ersten beiden Kommunikationsarten technisch möglich gemacht:
Eins zu Eins: Telefon.
Einer an viele: Radio, TV.
Erst das Internet gibt uns nun die Möglichkeit der Kommunikation Vieler mit Vielen – in Chats, Foren etc.
Nach Ansicht von Adams belastet uns das Net also nicht zusätzlich mit Informationen, sondern ist die „Korrektur einer falschen Kommunikationssituation“. Sie gibt uns die technische Möglichkeit zur uralten Form des Palavers – am Lagerfeuer unserer Bildschirme.
Made in Germany
mak@muc044.96.15:24
Steve Jobs, Apple-Gründer, NeXT-Gründer und Pixar-Gründer („Toy Stories“) im Interview in der neuen Ausgabe von „Wired“ auf die Frage, welches Produkt ihn in der letzten Zeit wirklich beeindruckt hätte: Der Wasch- und Trockenautomat von Miele. Zitat: „Sie sind hervorragend verarbeitet und zählen zu den wenigen Produkten, die wir in den letzten Jahren gekauft haben und restlos zufrieden sind. Diese Jungs haben von vorne bis hinten alles durchdacht. Ich habe daran mehr Spaß gehabt wie seit Jahren mit einem High-Tech-Gerät nicht mehr.“
Über diese überraschende Äußerung kann man breit lächeln und es als liebenswürdigen Abgesang an die High-Tech-Qualitäten Deutschlands verstehen. Nach dem Motto: Computer können wir nicht bauen, aber Waschmaschinen. Deutsche als Saubermänner – das typische Vorurteil.
Man kann aber auch eine positive Sicht wagen: vielleicht könnte die typisch deutsche Effizienz (Jobs: “ Diese Jungs haben von vorne bis hinten alles durchdacht.“) das große Manko von neuen technischen und digitalen Innovationen wettmachen. Sie funktionieren toll, es gibt stets zuwenig wirklich sinnvolle Anwendungsbereiche. Dazu reicht oft nicht mehr die kreative Phantasie der Techniker. Und die Marktchancen sehen die Marketingleute mangels technischem Wissen nicht so recht.
Vielleicht sollte man in Deutschland aufhören in der Grundlagenentwicklung ganz vorne mit dabei sein zu wollen. Vielleicht sind wir viel besser in der praktischen Anwendung von High Tech im realen Leben. Das Beispiel SAP oder viele Umwelt-Technologien scheinen solch eine Meinung zu bestätigen.
Vielleicht hat das Prinzip „Miele“ Zukunft?
Online-Steuern
mak@muc045.96.15:24
Der Boom des Internets hat sich, zumindest in den Vereinigten Staaten, inzwischen bis zu den Finanzbehörden rumgesprochen. Und hat dort flugs Begehrlichkeiten geweckt. Mehrere Staaten und Städten der USA kamen auf die Idee, Steuern im Cyberspace zu erheben.
In Spokane (Washington) sollten alle Internet-Provider 6 Prozent Steuern zahlen. Nach heftigen Protesten (online!) wurde die Idee erst mal auf Eis gelegt. In Texas zahlen die Provider inzwischen 1,4 Prozent Telekommunikations-Steuer, in Florida, wo 2,5 Prozent kassiert werden sollen, wird nach Protesten noch einmal weiter beraten.
Immer öfter wird versucht, die anarchische Welt des Internet zu domestisieren. – Mit zweifelhaftem Erfolg. Denn wie will man in der grenzenfreien, globalen Welt des Web lokale Steuern erheben. Man kann Provider schröpfen, und das werden die User zu spüren bekommen. Aber man kann nicht die Usage und vor allem nicht die Geschäfte, die im Internet bald üblich sein werden, besteuern. Je mehr Provider und Internet-Firmen besteuert würden, werden sie umso schneller in Regionen oder Länder ausweichen, die günstigere Bedingungen bieten.
Dasselbe gilt für Länder, die Providern oder Online-Diensten das Leben institutionell besonders schwer machen, wie z.B. die Bundesrepublik, Wenn, wie bislang geplant, Online-Dienste in Deutschland dem Rundfunkrecht unterstellt würden und so in jedem Bundesland eine andere Landesmedienanstalt für Online zuständig wäre, kann man sicher sein, daß sich die wenigsten Web-Anbieter hierzulande ansiedeln würden.
Preise
mak@muc046.96.12:14
Wir haben auf allen Präsentationen und Pressekonferenzen von Europe Online immer wieder auf die Frage nach den Preisen für Europe Online mit der Floskel geantwortet, wir werden einen echt „kompetitiven“ Preis haben.
Wir haben lange gezögert, einen Preis für die User, die über Europe Online ins Web gehen, zu fixieren. Erst wollten wir Erfahrungen im eigenen Netz sammeln – und zugleich die allgemeine Preisentwicklung abwarten.
Jetzt ist es endlich soweit, wir geben heute offiziell unsere Preise für Europe Online bekannt und sie sind, wie versprochen, wirklich attraktiv und halten Vergleiche mit den Mitbewerbern locker stand.
Wer über Europe Online den Internet-Zugang wählt, zahlt eine monatliche Grundgebühr von 7,00 Mark und bekommt dafür zwei Stunden freie Nutzung. Jede Minute der weiteren Nutzung kostet 7 Pfennig (das macht 4,20 DM pro Stunde). In dem Preis sind E-Mail, Chat, Diskussionsgruppen und der volle Internet-Zugang enthalten. Außerdem kann sich jeder EO-Kunde in unserer „Member-City“ seine eigene Homepage bauen.
Jedes neue Mitglied von Europe Online erhält 10 Freistunden zum Testen des Dienstes gratis, die er innerhalb von 30 Tagen nutzen soll. Die Berechnung startet am 15. März.
Mit diesen Preisen brauchen wir den Vergleich mit allen anderen Online-Diensten nicht scheuen, im Gegenteil. Es kann sich jeder selbst ausrechnen, was in den vergleichbaren anderen Diensten für gleiche Services zu zahlen wäre. Sie sind auch attraktiv genug, um so manchen User über den Wechsel seines Providers nachdenken zu lassen, zumal Europe Online 135 Einwahlknoten in Deutschland anbietet, die man zum Ortstarif anwählen kann. (Liste demnächst an dieser Stelle)
Und übrigens: Für alle User, die aus dem Internet über einen anderen Provider zu Europe Online stoßen bleibt es vorerst dabei, daß alle Inhalte kostenlos sind.
Cooliosity
mak@fra047.96.08:22
Gestern Abend wieder einmal ein Einsatz in Sachen Trendforschung. Thema: „Millenium-Gefühl“. Am besten von 14 absehbaren Trends für die Jahrtausendwende kam der Begriff „Cooliosity“ an, ein kaum übersetzbarer Wortbastard aus „cool“ und „curiosity“. (Auf deutsch klappt bestenfalls die blanke Übersetzung: „coole Neugier“.)
„Cooliosity“ ist eine Mixtur aus der Coolness der 90er-Jahre und einer neuen, positiven Neugier. Die Coolness der 90er-Jahre hat nichts mit der „No-Future-Unterkühltheit“ der 80er-Jahre zu tun, sondern ist das Synonym für eine angenehme Unaufgeregtheit, große Offenheit und ideologische und weltanschauliche Unfestgelegtheit.
Die zweite Ingredienz für die Cooliosity ist eine „Neugier“ in des Wortes positivster Bedeutung. (Das Wort „Gier“ hat erst im Neuhochdeutschen einen negativen Hautgout bekommen, es stammt eigentlich vom Wortstamm „g’rn“, dem Ursprung des Wortes „gern“ und „bereitwillig“ ab.) Die Neugier (engl. „curiosity“) fürs Millenium ist die ideale Ausstattung für unsere komplexe, chaotische, fraktale Welt mit all seinen Zukunfts-Optionen und Zukunfts-Veränderungen.
„Cooliosity“ live, das sind die attraktiv schrägen Typen aus der Calvin Klein-Werbung. Das sind Popstars wie Coolio, Beastie Boys (man denke nur an ihre Modelinie „Fuct“!), das sind Björk, Moby, Goldie, Tricky oder deutsche Stars wie Makatsch, Buck, Minh-Khai oder die neuen Viva-Zwillinge…
Offline
mak@tyr048.96.10:10
Endlich mal zum Skifahren, zum erstenmal in diesem Jahr. Ziel: meine Hütte in Tirol, fernab jeder Zivilisation. Es gibt keinen Strom, kein fließend Wasser (Quelle vor der Tür), jedes Lebensmittel und jeder Tropfen Flüssigkeit muß im Rucksack antransportiert werden, denn die Hütte ist nur nach einem 3/4-stündigen Aufstieg (durch Tiefschnee) zu erreichen. Mehr offline geht kaum.
Hand(y)sam
mak@tyr049.96.17:32
Mit Erschrecken stelle ich fest, daß auf der Hütte das Handy funktioniert. Das klappte noch nie. Scheinbar ist auf irgendeinem Gipfel ein neuer Sender in Betrieb genommen worden, der digitale Verbindung auch fern jeder Zivilisation möglich macht. (Es gibt keinen Grund mehr, bei der Redaktion nicht nach dem werten Befinden zu fragen – Pech!)
Rent-a-media
mak@tyr050.96.13:44
Anreise per Leihauto (inkl. geliehener Schneeketten). Skifahren mit Leihski. Auch das Handy ist geliehen. Die Befreiung von der Hardware macht Spaß. Man mietet Mobilität (automobil, skitechnisch) und Service, bekommt jedes Mal jeweils die optimale moderne Ausrüstung – und hat zuhause keinen Streß mit sperrigen Sachen im Keller oder Parkplatzsuche.
Die mediale Entsprechung der Rent-a-bility ist der Onlinedienst. Er bringt Aktualität, Entertainment und Kommunikation ohne unnötige Hardware, als reine Dienstleistung. Kein Papiercontainer wird gestreßt, keine Bäume werden gefällt.
Solche Sätze fallen einem beim Marsch durch die Idylle eines tiefverschneiten Waldes ein…
Snow-Crash
mak@tyr051.96.08:01
Passend zum winterlichen Ambiente in den Tiroler Bergen: Endlich habe ich „Snow-Crash“ von Neal Stephenson (Goldmann Verlag) zu Ende gelesen. Ewig überfällig, aber die tägliche Web-Recherche hat Vorrang vor dem Buchkonsum.
Für Online-User ist dieses Buch ein absolutes Muß. Nicht allein, weil ein wichtiger Handlungsstrang im virtuellen Ambiente einer dreidimensionalen, real erlebbaren Chat-Welt verläuft. Es schildert die Chat-Zukunft: je nach Geld, Programmier-Phantasie oder Netzzugang kann man in dieser nicht allzu fernen Zukunft als plastisches Luxus-Avatar oder auch nur als simple Schwarz-Weiß-Kopie (aus der Telefonzelle) in einer unendlichen virtuellen Welt mit wunderbaren Städten und verwegenen, keiner Schwerkraft unterliegenden Bauten kommunizieren.
Wichtiger in „Snow-Crash“, weil irritierender, sind die langen Ausführungen von Neal Stephenson über die vorchristliche sumerische Kultur und den Mythos der Sprachenverwirrung von Babel. Seine waghalsige, aber beeindruckende These: Die in der Bibel bedauerte Sprachvielfalt war eine Art kultureller „Virus“, der die stabile, aber wenig interessante Kultur der Sumerer vernichtet hat, und so die Vielfalt aller anderen menschlichen Kulturen später möglich zu machen.
Der Virus wurde von einem Hohenpriester sehr bewußt plaziert, um die kulturelle Evolution möglich zu machen. Der Preis, den die Menschheit dafür bezahlen mußte: der Verlust des (langweiligen!, einsprachlichen) Paradieses. Sozusagen die Urform des Paradigmas: „No risk, no fun!“ – Und diese These verbindet Stephenson in einer sehr waghalsigen – aber auch einleuchtenden Analogie – mit der digitalen Kommunikationswelt der Zukunft.
Aber daß keine falschen Erwartungen aufkommen: „Snow-Crash“ ist in erster Linie ein gut geschriebener, absolut spannender Science-Fiction-Thriller. Ein „page-turner“, wie Bücher in den USA genannt werden, die einem die Nachtruhe rauben, um im Buch weiter zu kommen…
@ Wien
mak@vie052.96.23.58
„Global Village“ heißt eine kleine Messe und eine mehrtägige, sehr interessante Vortragsveranstaltung im Rathaus in Wien. Die Fortschritte in Sachen Online und Internet in Österreich können sich absolut sehen lassen. Der Internet-Auftritt der Stadt Wien als „digitale Stadt“ ist zum Beispiel wirklich beeindruckend; konzeptionell, inhaltlich wie grafisch. Hier könnten viele deutsche Städte davon lernen.
Ich bin eingeladen worden, einen Vortrag zum Thema Demokratie in den Netzen zu halten. Ich habe meinem Vortrag bewußt den leicht angestaubten Titel „Digitale Perestroika“ gegeben. Meine These lautet, daß die Politik noch tiefer in die Krise kommen muß, bevor sie bereit ist, Macht abzugeben. Politik wird sich dann zum einen zur reinen Dienstleistung entwickeln und so den reibungslosen Ablauf des gesellschaftlichen Geschehens organisieren.
Zum anderen wird die Politik vor allem im lokalen Bereich Macht an die Bürger ganz konkret abgeben. Dort ist in nicht allzu ferner Zukunft eine direkte, partizipative Online-Demokratie denkbar. Stichwort: Home-Electing.
Die großen gesellschaftlichen Entscheidungen aber sind meiner Meinung nicht für die Online-Welt geeignet. Das Internet ist dissipativ, d.h. es ist geeignet, Ideen zu sammeln und völlig neue Ideen zu entwickeln, aber eben nicht, um auf breiter Ebene einen demokratischen Konsens herzustellen oder gar abstimmungsreif zu machen. Es ist aber die ideale Plattform für die Gestaltung und Ideenfindung von Zukunft, gerade auch im gesellschaftlichen Rahmen.
EO-Präsentation
mak@wsb053.96.21:22
Die erste Präsentation von Europe Online vor Agenturen und interessierten Firmen. Der erste Schritt zur Vermarktung von Europe Online – und zur Sicherung unserer Arbeitsplätze.
Der große positive Aspekt: Das an sich schon gute Verhältnis zu den anderen Burda-Online-Sites Traxxx und Uni-Online, mit denen wir zusammen präsentieren, wird in dem persönlichen Kontakt auf Reisen noch besser. Man tauscht sich aus, gibt Erfahrungen weiter. In dem Bewußtsein, daß alle im Online-Gewerbe mit Wasser kochen – und dieses Jahr dank der Telekom-Tarife sowieso ein hartes Jahr für das Online-Business ist, entsteht ein angenehmes Gemeinschaftsgefühl.
Der bedenkenswerte Aspekt der Präsentations-Tour, forsch „Roadshow“ genannt, ist das offensichtliche, breite Wissensdefizit zum Thema „Online“ und „Internet“. Selbst bei interessierten Firmen erlebt man erschreckende Wissensdefizite. Man muß einfach feststellen, daß Online „live“ zur Zeit in Deutschland noch unter Ausschluß der breiten (!) Öffentlichkeit stattfindet.
Umso wichtiger sind solche Präsentationen, die man besser „Infizierungen“ nennen sollte. Ist die Scheu vor dem Net erst weg und wird entdeckt, wie einfach es ist, per Klick durch unsere Inhalte und gar durchs Internet zu surfen, kommt stets große Begeisterung auf.
Danke an Netscape und ihre 2.0-Version ihres Browsers, daß sie durch ihre Features und Frames solch eine einfache und userfreundliche Navigation möglich gemacht haben, die selbst Net-Einsteiger intuitiv verstehen können.
EO-Präsentation
mak@fra054.96.18:57
Nachtrag zum Besuch in Österreich: Zwei Anekdoten am Rande.
- In Österreich gibt es kein (Online-)Projekt, das keine Förderung durch die Europäische Union erfährt. In der Alpenrepublik besuchen junge Unternehmer spezielle Subventionsberater der Ministerien. Sie helfen beim nötigen Papierkrieg – und besorgen schon einmal eine Bankbürgschaft – Hauptsache das Projekt kommt zum Laufen. – Hierzulande scheint man dagegen im (Subventions-)Tiefschlaf zu verweilen.
- Nettes Kompliment nach meinem Vortrag: Ich wäre gottlieb keiner dieser „spitzbärtigen deutschen Referenten“ mit ihrer „akademischen Igitti-gitt-Attitüde“ gegenüber dem Internet. Ein Kompliment an mich, kein Kompliment an Internet-Piefkes.
Sonntags-Dienst
mak@muc056.96.15:33
Der erste sonnige Sonntag-Nachmittag in diesem Jahr. Die ewig-graue Kälte ist vorbei. Jetzt beginnt die Zeit, in denen die Sonntag-Nachmittagsdienste nicht mehr so leicht fallen.
Das einzig wirksame Gegenmittel: die gute Stimmung in der Redaktion.
ICE-Insel
mak@stg057.96.19:43
Auf der Fahrt zu weiteren Präsentationen von Europe Online. Diesmal geht es nach Stuttgart, per ICE.
Ich liebe den ICE. Es gibt kaum einen anderen Ort, wo ich so frei und locker und gerne schreibe wie im ICE. Das habe ich mir in den letzten Jahren beim oft-wochenendlichen Shuttle zwischen München und Hamburg angewöhnt. Vielleicht ist es die Geschwindigkeitsenergie, die den Schreibfluß unterstützt, vielleicht ist es die Konzentration auf Tastatur und Bildschirm, zu der das gräßliche Interieur des ICE zwingt. Vielleicht ist es auch der Rhythmus der gedämpften, Tempo und Fahrt signalisierenden Zuggeräusche, die einen unweigerlich in einen wunderbaren Arbeits-Flow versetzen.
Einziger Frust: Warum gibt es keinen Strom für den PC im Zug. Wenn die Batterien alle sind, ist der schönste Flow dahin. Und warum ist man im Zug stets offline? Warum sind nicht in jedem Sessel Steckdose und Telefonbuchse integriert, um Texte und Daten problemlos auch auf Reisen ins Netz geben zu können.
Karaoke online
mak@muc058.96.23:56
Newsweek berichtet von der Killerapplikation, das das Internet nun endlich auch in Japan erfolgreich machen wird: Karaoke online. Mit einem eigenen Zusatzgerät („X-55“) für weniger als 1.000 Mark kann nun jeder Nipponese seine Lieblingssongs samt Text schnell und unkompliziert vom Netz holen und vor dem heimischen TV trällern.
In den zwei Monaten, in denen der X-55 in Japan auf dem Markt ist, sind bereits 60.000 Geräte verkauft worden. Bis zum Ende 1997 rechnet man mit rund einer Million verkaufter Apparate. Und da man mit dem Karaoke-Browser auch andere Internet-Inhalte abrufen kann, wird bis Ende 1997 mit einem breiten Internet-Boom in Japan gerechnet.
Gag am Rande: Ein großer Vorteil des Gerätes soll bereits heute feststellbar sein. Die Qualität der Karaoke-Darbietungen soll sich dank der neuen Übungsmöglichkeiten in den eigenen vier Wänden immens verbessert haben…
Ohne Worte
mak@muc059.96.22:57
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Weiter geht es mit dem Digitalen Tagebuch 3-1996.
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