Das Krippenschwein

Der ganz spezielle Glücksbringer

Es ist rosa, groß und gut im Futter. Es steht ein wenig verschämt ein wenig abseits des Zentrums des Interesses. Aber verwundert – und ein wenig neugierig – schaut es zu, wie da drei Herren in edlen Gewändern auf das kleine Kind, um das seit Tagen ein rechtes Gedöns gemacht wird, zu schweben. Was mag es in dem Moment nur denken?

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Eigenartige Hüte tragen sie. Sind das gar Kronen? Könige sind das vielleicht. Irgendwo aus dem Osten kommen sie, heißt es. Morgenland nennen das die Hirten hier. Auf alle Fälle bringen sie irgendwelche eigenartig riechenden Geschenke mit. Und sogar Gold. Das kriegt man hier bei den einfachen Leuten eigentlich sonst nie zu sehen. Die Lämmer glotzen da blöd. Haben wahrscheinlich noch nie Gold gesehen. Da bleibt ihnen staunend der Mund offen stehen. Leider nicht lange.

Es nervt, dieses dauernde Geblöke von den Schafschaften. Die Hirten haben alle ihre Wolltiere samt ihren Lämmern mitgebracht. Dutzende über Dutzende von ihnen. Die machen ein rechtes Gewese und blöken um die Wette. Nein, sie lobpreisen nicht das kleine Kindchen da vorne. Sie streiten sich nur mal wieder, welches trockene Gras wo besser schmeckt als hier. Schafe halt.

Ich habe eigentlich nur zwei echte Freunde hier. Die Kuh und den Esel. Die können auch mal ganz ruhig dastehen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Und darum geht es doch gerade. Wenn das stimmt, was man sich hier erzählt, soll der kleine Knabe da in notdürftigen Windeln einmal eine Art Gott werden, also mindestens der Sohn Gottes – oder so.

Brav die Hände falten!

Auch von Dreifaltigkeit war mal kurz die Rede. Seitdem falten die Hirten, dieses gutgläubige Volk, dauernd ihre Hände. Keine schlechte Idee eigentlich, denn so können sie mit ihren Händen nichts Böses anstellen. Tiere abschlachten etwa. Das ist ja eine ziemliche Unsitte dieser Menschen da. Immer wenn irgendwas Übersinnliches passieren soll, wird im voreiligen Gehorsam ein Tier geschlachtet. Als ob das schon je mal etwas gebracht hätte.

Meistens erwischt es ja die Lämmer, wenn es ums Schlachten für Götter oder anderes Personal geht, das nicht von dieser Welt ist, oder es zumindest behauptet. Aber auch wir Schweine sind da nicht vor Übergriffen sicher. Gott sei Dank sind wir schnell und können uns mit unserem Gewicht ganz gut wehren. Aber es heißt halt immer, gut aufzupassen. Wenn dieses eigenartige Funkeln in den Augen der Menschen losgeht, wenn sie einen ansehen, heißt es, sich schleunigst aus dem Staub zu machen.

Staub mag ich ja sowieso nicht. Ich bevorzuge Schlamm. Das erfrischt, wenn es hier mal wieder recht heiß ist. Aber das gibt es hier nur, wenn es mal richtig stark regnet. Das passiert aber nur alle Weihnachten. Also so gut wie nie. Wenn der Boden so knallhart wie immer ist, bleibt uns armen Schweinen nichts anderes übrig, als uns in unserer eigenen Scheiße zu wälzen. Als Schlamm-Ersatz.

Unreines Schwein

Hat auch sein Gutes. So stinken wir meilenweit und die Menschen gehen uns aus dem Weg. Manche, vor allem die gläubigen Herrschaften mit den komischen Löckchen links und rechts vom Gesicht, haben eine wahre Abscheu vor uns. „Unrein“ nennen sie uns – und deshalb unessbar. Uns soll es recht sein. Diese Haltung ist spürbar lebensverlängernd. Sehr vorbildlich. Sollten sich andere Religionen mal eine Scheibe davon abschneiden.

Ich darf hier so an prominenter Stelle neben der Krippe sowieso nur stehen, weil ich blitzsauber bin und daher einen wunderschönen rosa Farbklecks ins Idyll bringe. Das passierte aber nur aus Versehen, weil ich vorhin, als ich etwas ungeschickt geklettert bin, in den Bach gefallen bin und so meine schützende Schmutzschwarte verloren habe. Daher bin ich hier geduldet – und solange die Herrschaften ihre Hände brav gefaltet lassen, auch vor Übergriffen auf mein fein mit Fett durchzogenes Muskelfleisch sicher.

Ein bisserl ein Fremdkörper bin ich ja schon. Oder hat schon mal einer ein dickes, rosa Schwein an Jesu Krippe gesehen? Eben nicht. Ochs und Esel, die schon. Und Schafe und Lämmer sowieso. Nur wir Schweine kommen beim Krippen-Szenario immer zu kurz. Dabei sind wir doch der Glückbringer. Kein Wunder, dass die Geschichte mit dem kleinen Jesulein dort drüben normalerweise kein echtes Happy End hat. Kein schöner Tod, da an dem Kreuz. Und das nur, weil kein Schwein zugegen war, um dem kleinen Winzling alles Glück der Welt in die Wiege zu legen.

Epilog

Ein kurzer Exkurs zum Verhältnis Religion und Schweinefleisch. Orthodoxe Juden und Muslime lehnen gleichermaßen den Verzehr von Schweinefleisch strikt ab. Schweinefleisch gilt hier als „unrein“, nicht zuletzt weil sich Schweine im Schlamm – oder noch schlimmer – in ihren eigenen Exkrementen wälzen. Schweine tun das, um ihren Hitzehaushalt so zu regeln. Sie haben keine Schweißdrüsen und brauchen daher Flüssigkeit von außen, um sich abzukühlen.

Dieser offizielle Grund kann eigentlich nicht recht funktionieren, denn auch andere Tiere wälzen sich gerne mal im eigenen Dung, Kühe etwa, im Stall zum Beispiel. Die Verfemung des Schweins vor allem im Orient dürfte eher damit zusammenhängen, dass hier Wiederkäuer, die Gras und Heu fressen, willkommener waren und effektiver als Schweine, die ähnlich wie wir Menschen Allesfresser sind und dieselben Dinge fressen wie wir selbst. Sie sind im Orient schlicht unwillkommene Nahrungskonkurrenten, deren Verfemung religiös legitimiert und festgezurrt wurde.

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