Annual Multimedia

Multimedia im Print

Ich gestehe, ich bin rückfällig geworden. Seit vielen Jahren publiziere ich nur noch digital. Jetzt bin ich aber wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt, zum Print. Seit 2012 zeichne ich als Herausgeber für dieses Jahres-Annual des digitalen Marketing verantwortlich.

Von Anfang an, seit 1995, als Werner Lippert das Annual Multimedia gegründet hat, war ich in der Jury dieser Leistungsschau der kommerziellen Multimedia-Arbeiten. Wunderschön, dass ich jetzt Werner Lippert nachfolgen darf.

Annual Multimedia 2020Ein wunderbarer Widerspruch: Digitale Multimedia-Arbeiten auf Papier gedruckt. Ein Paradox, das nur der verstehen mag, der seit langer Zeit digital arbeitet – und der noch weiß, wie es sich anfühlt, wenn man ein Printprodukt in Händen hält, das man mitgestaltet hat. Bei letzterem wird man physikalisch für seine Arbeit „belohnt“. Man „begreift“, was man selbst mit seinen Händen – und seinem Kopf – geschaffen hat. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Eine wunderbare, große, innere Freude für kreative Menschen, ein Triumph für narzisstisch veranlagte Gemüter.

Leere Hände der Moderne

Wenn  man aber seine kreative Arbeit in den digitalen Raum verlagert, geht diese physikalische Belohnung verloren. Über lange Jahre meiner Arbeit im Online-Business hat meine eigene Familie, da selbst nicht vernetzt, keine Ahnung gehabt, was ich da mache. Sie haben mir geglaubt, dass da Sachen von mir im Internet existieren. Nachprüfen konnten sie es nicht. Sie haben sich damit getröstet, dass ich ja sichtlich Geld dafür bekomme. Speziell meine Mutter, der Reputation so wichtig war, litt unter der Virtualität meiner Arbeit. Wenn ich ihr etwa Europe Online am Bildschirm zeigte, hätte das ja auch eine Macromedia-Präsentation sein können. (Kein Scherz, die ersten Online-Projekte wurden damals so verkauft. Und danach wunderten sich die Auftraggeber, warum die Bilder so winzig waren und die Seiten so lange zum Laden brauchten. Bei Macromedia war das alles so schnell und opulent gewesen.)

Noch schlimmer ist, dass viele Online-Projekte irgendwann nicht mehr live zu erleben sind. Entweder waren sie als Microsites sowieso nur auf Zeit angelegt – oder aber die Jahre (Monate?), die technische Entwicklung und natürlich auch die Fortentwicklung von Design, State of the Art und Breitengeschmack fordern kontinuierlich ihre Opfer. Die meisten Projekte im digitalen Bereich sind heute nicht mehr im Web zu sehen. Es gibt ein paar Archivseiten des Internets wie Wayback Machine oder WebCite. Aber wenn man da überhaupt einen Snapshot von früher bekommt, dann erscheinen meist nur Fragmente, meist ohne Bilder – und ohne Flash-Animationen.

Erinnerungen an vergangene Pixel

Schon dafür ist das Annual Multimedia, so absurd eine gedruckte Website auch scheinen mag, eine sinnvolle Sache, dass nämlich hier digitale Projekte physikalisch dokumentiert sind. Dswegen ist sie bei kreativen Arbeitern im digitalen Raum so beliebt. Deswegen reichen die meisten Agenturen Deutschlands (und Österreichs und der Schweiz) ihre gelungensten Arbeiten eines Jahres ein – und werden, sofern sie von der Jury für gut genug befunden werden, im Annual Multimedia verewigt. So entsteht ein hochqualitatives Erinnerungsbuch an digitale Arbeiten – und ein paar Jahre weiter gedacht – ein Almanach vergangener Pixel.

Aber es ist die Arbeit der Jury, die den wahren Wert des Annual Multimedia ausmacht. Jedes Jahr arbeitet sie sich durch Hunderte von Einsendungen hindurch. Das Spektrum, das einst 1995 mit Werken auf CD-ROM angefangen hat, umfasst heute Portals, Websites, Microsites, Web-Kampagnen, Banner, Interactive Ads, Social Media, Intranet, E-Mail-Marketing, Desktop Anwendungen, Tools, Web-TV/-Video, Terminals, Events, Games, Installationen, Shops, Apps, Mobile Anwendungen und Digitale Innovationen. Fast jedes Jahr gibt es in den Kategorien Ergänzungen und Wandlungen.

Messlatte für Qualität

Jedes Jahr steht für die Jury die wirklich schwierige Aufgabe an, die stets mit ausführlichen Diskussionen begleitet ist, den Qualitäts-Status des jeweiligen Jahres zu ermitteln. Der ist jedes Jahr höher, der Standard steigt kontinuierlich. Was drei Jahre zuvor noch respektierlich war, erntet heute nur noch ein Schulterzucken. Und nur, was über diesem jeweils neu definierten Anspruchs-Level liegt, wird in das Annual aufgenommen. Die Mehrzahl der Einsendungen schafft das nicht. Die, die aufgenommen werden, werden mit Silber bedacht. Die absolut besten Arbeiten, ca. 20 Highlights, werden speziell erwähnt – und mit Gold bedacht.

So hat sich das Annual Multimedia über die Jahre – wohlgemerkt seit 1995 – als verlässliches Qualitäts-Barometer der Digitalen Branche etabliert. Blättert man durch die Jahre, erlebt man ein Wiedersehen mit wichtigen Websites, erfolgreichen Ideen und bahnbrechenden Kampagnen. Zugleich bekommt man dabei einen plastischen Eindruck, wie sich Standards herausbilden, neue Stile entwickeln und verbreiten. Das ist digitaler Zeitgeist pur.

Das Annual Multimedia erscheint im Walhalla Verlag und kostet 79,00 Euro. Viel Spaß beim Lesen…

Ein Kommentar zu „Annual Multimedia

Hinterlasse einen Kommentar