Die Verdummung Amerikas

Jede Kritik an ihm macht Trump stärker

Als Mensch, der in der Schule Rhetorik am Beispiel eines Cicero nahe gebracht bekommen hat, ist jede Rede von Donald Trump eine Pein. Nicht dass man im Römischen Reich vor 2.000 Jahren nicht auch gelogen hat, dass sich die Balken (der Rednerbühnen?) gebogen haben. Ein Julius Cäsar hatte einen ähnlich kreativen Umgang mit Fakten und Wahrheiten wie die Populisten heute. Aber ihm gelang es wenigstens, einen Gedanken nach dem anderen verständlich zu formulieren.

Donald Trump Hairstyle

Anders Donald Trump. Wenn er frei spricht, schafft er es ohne Anstrengung (wahrscheinlich genau deswegen!) in gestoppten 32 Sekunden Redezeit sieben Themen nacheinander anzureißen, ohne eines davon zu irgendeinem Ende zu bringen. Jeder Goldfisch wäre mit solch einer Rede unterfordert, wie der britische Comedian John Oliver scherzt (min 6:20).  Nichtsdestoweniger bekommt er viel Beifall bei solchen Reden. Nicht nur von seinen Claqueuren, die er zu allen seinen Reden mitbringt. (Hat er sich von Putin & Co. oder auch den alten Römern abgeschaut.)

Realitäten aus Wolkenkuckucksheim

Egal welche öffentliche Rede man sich von Trump anschaut/anhört. Egal wie gruselig die Inhalte sind, wie viel gelogen wird und Tatsachen verdreht werden, Trump begeistert seine Massen. Er tut das um so mehr, je weniger er an einem Redemanuskript hängt. Frei spricht er am erfolgreichsten. Vor allem auch, weil er dann völlig unbekümmert die Realitäten beschreiben kann, wie er sie sich in seinem Wolkenkuckucksheim (derzeit Pennsylvanian Avenue 1600) zurechtgezimmert hat.

Ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich verstanden habe, was Trump in seinen Reden so erfolgreich macht. Vor allem, weil man ja so konsterniert ist über seine billige Art, Beifall zu heischen. „Fremdschämen“ ist als Ausdruck zu harmlos, wenn man seine Lügen und Verdrehungen hört und seine mangelnde Kenntnis von Grundwissen live erleben muss.

Monolog unter Gleichgesinnten

Tatsache ist, dass Trump rein gar nicht zu Menschen wie mich und Unsereinem spricht. Er spricht ausschließlich zu Seinesgleichen. Zu Menschen, die genauso ungebildet, vorurteilsbesessen, banal und stumpf sind wie er selbst. Zu Menschen, die genauso gerne an Verschwörungstheorien glauben wie er, die ebenso Gutmenschen und treue Steuerzahler verachten. Kurzum, die sich vom politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen System abgehängt fühlen; weil sie weniger Bildung, weniger Geld, weniger Chancen und weniger Perspektive haben. Ausgerechnet sie haben in ihm, dem reichen Söhnchen, der Chancen im Übermaß hatte, ihr Idol gefunden.

Trumps Geheimnis ist auch seine banale Sprache. Linguisten haben es analysiert: Es ist der Sprachstil eines Viertklässlers. Sein Wortschatz ist extrem begrenzt, er nutzt nur kurze Worte und Begriffe, malt damit aber prägnante Bilder. Er grenzt keinen Zuhörer durch zu viel Zahlen, Wissen, Fremdwörter oder komplexe Inhalte aus. Das ist nicht neu, das hat schon Berlusconi und anderen seines Kalibers zum Erfolg verholfen. Aber Trumps Sprache ist zudem grammatikalisch brutal primitiv. Sie ist stets nur eine Aneinanderreihung von kurzen Sätzen, unterbrochen nur von Inklusions-Gesten nach dem Motto: Wir verstehen uns, wir sind die, die fürs Richtige kämpfen.

Ausgrenzung der Etablierten

Mit seiner Art zu reden – und seinen Inhalten – grenzt Donald Trump wirksam die Andersdenkenden, die Gebildeten, die Wissenden und die Menschen aus, denen Komplxität keine Angst macht. Daher geht die Philippika des Schriftststellers und Intellektuellen Philipp Roth gegen Trump in der New York Times ins Leere: „Ich habe noch nie einen Politiker erlebt, der menschlich so armselig ist, wie Trump: Er hat keine Ahnung vom Regierungsgeschäft, von Geschichte, Wissenschaften, Philosophie oder Kunst. Er ist unfähig, Subtiles oder Nuanciertes auszudrücken oder zu verstehen, er kennt keine Scham und sein Wortschatz umfast gerade mal 77 Wörter.“

Trumps Sprachstil und seine Inhalte sind sogar das perfekte Gegenmittel gegen Kritik solcher Art. Seine Sprache ist, TV-Reality-geübt, das perfekte Antidot (Achtung, Fremdwort) gegen jeden Intellektualismus, gegen das Establishment und ihre kulturellen, sprachlichen und wissenshuberischen Ausgrenzungsriten. Sie schafft ein heimeliges Zugehörigkeitsgefühl der Zu-kurz-Gekommenen, der Ungebildeten und Unwissenden, der Chancenlosen. Sie fühlen sich ernst genommen, sie haben das Gefühl, verstanden zu werden, weil sie diesen Trump verstehen. Und zum Dank nehmen sie ihm auch noch jeden Unsinn ab und bejubeln ihn.

Die gespaltene Gesellschaft

Trump und seine Unterstützer haben kapiert, dass die amerikanische Gesellschaft (und nicht nur die) brutal gespalten ist: Zwischen urbanen, besser gebildeten und sensibel sozialisierten Menschen und den von Bildung und Jobchancen abgehängten ländlichen Gebieten im amerikanischen Kernland: der Heimat der Republikaner und der Religiösen, der von Arbeit und Chancen beraubten Arbeiter, der unteren Mittelklasse. Trump baut durch seine hypersimple Sprache eine veritable Mauer zwischen Stadt und Land.

In den ländlichen Gebieten ist man von Bildung, Wissen und der Vielfalt urbaner Gesellschaft und urbaner Medien abgeschnitten und dafür heimgesucht von beredten Spinnern, Predigern und Talkradio-Hosts, die Verschwörungstheorien und Unbildung verbreiten und das Sprachniveau längst auf niedrigstes Niveau gebracht haben. Überraschend, dass ausgerechnet ein New Yorker diesen niedrigen Sprachlevel genau trifft. Donald Trump ist der lebende Beweis dafür, dass auch ein New York Weltläufigkeit nicht garantieren kann.

Jede Kritik hilft Trump

Es nutzt daher nicht, wenn wir jede der Reden Trumps analysieren, wenn wir deren Fakten penibel checken oder uns auch nur lustig über ihn machen. Wir sind Trump so egal wie sonst was. Wir sind der Feind, und jede kritische Anmerkung, sei sie noch so richtig, klug oder feinsinnig, verstärkt nur die Wirkung seiner Reden bei seiner Zielgruppe. Jede Kritik der Intellektuellen lässt Trump in den Augen seiner Fans noch mutiger, noch entschlossener und wichtiger wirken.

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Nein, der gebe ich keine Hand! Die ist ja Physikerin!

Der verweigerte Händedruck mit Merkel und der pöbelhafte Auftritt Trumps bei der NATO und der G8 waren kein Zufall. Das war jeweils eine Konfrontation mit dem Feind: Angela Merkel, eine Wissenschaftlerin, Physikerin sogar, die Rationalität liebt, das ist für Trump, den Pöbler und Gernegroß, die Personifizierung des Anti-Trump. Und jedes Merkel-Bashing oder die anhaltenden Beleidigungen des Londoner Bürgermeisters, einem Intellektuellen und Muslim, bringt Trump Punkte bei seinen Fans und Wählern. Und Trump hat nie aufgehört Wahlkampf zu machen, jetzt schon für die Wahl 2020.

Die De-Intellektualisierung der USA

Spannend wird sein, ob Trump es schafft, der Dummheit in Amerika auf Dauer eine Mehrheit zu geben und die amerikanische Gesellschaft erfolgreich zu de-intellektualisieren und damit zu de-politisieren. Spannend wird sein zu beobachten, ob und wie es Wissenschaft, Intellektualität und Vernunft schaffen, wieder von den Abgehängten und Unterprivilegierten, von den Unwissenden und Ungebildeten gehört und verstanden zu werden.

Das ist die Herausforderung, vor der wir auch in Europa im Angesicht von Populismus und rechten Rattenfängern stehen. Wie ist es zu schaffen, die wirtschaftliche und die intellektuelle Spaltung unserer Gesellschaft zu bremsen oder gar aufzuheben? Nur mit schönen Worten geht das wohl nicht. Aber ebenso wenig mit einer Infantil-Sprache à la Trump.

 

 

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