Der rosa Clown

Ein Ausweg aus der globalen Coulrophobie

Coulrophobie? Nie gehört? – Das ist verständlich. Es beschreibt die Angst vor Clowns, die heutzutage immer mehr Kinder überfällt. Und damit sind noch nicht einmal Grusel- und Killerclowns wie „Pogo der Clown“ oder „Pennywise“ („Es“) gemeint, die in Horrorfilmen ihr Unwesen treiben. Kinder verängstigen einfach die weißen Gesichter, die krassen Grimassen und das linkische Treiben der Spaßmacher, die dann eben so gar nicht Spaß machen.

Pennywise 02
Der Horror-Clown Pennywise

Am schlimmsten sind die weißen Clowns, die hochnäsig, arrogant und selbstverliebt die Chefs der Clowntruppen sind. Wikipedia definiert sie treffend so: „Seine Partner kommandierend, wendet [der Weißclown] dem Publikum häufig den Rücken zu und scheint es auch sonst kaum zu beachten. Dadurch wirkt er, wie auch durch gespielte Ernsthaftigkeit, eitel und arrogant, also als Karikatur des Vertreters einer Elite.

Die Weißclowns sind auch der Grund, warum ich in meinem Blog zuletzt über Monate hinweg stumm geblieben bin. Metaphorisch gesprochen, ist mir schlicht „die Spucke weggeblieben“ während weltweit die weißen Clowns die Macht übernommen haben. Man könnte lachen, wie ein Donald in Amerika, ein Salvini in Italien, ein Bolsonaro in Brasilien, ein Orban in Ungarn, ein Maduro in Venezuela, ein Strache in Österreich, ein Farage – oder noch besser: Boris Johnson – in Großbritannien ihre Possen zum Besten geben. Aber das Lachen kann nicht funktionieren, weil es eben keine Komödien sind, die hier veranstaltet werden. (Apropos: Theresa May scheint es zu gelingen, der erste weibliche weiße Clown zu werden. Weiß, ganz ohne Schminke.)

Back to the future

Mir jedenfalls ist erst mal das Schreiben vergangen. Denn je mehr man sich an den Lügen und Absurditäten der sogenannten Populisten abarbeitet, desto mehr unverdiente Aufmerksamkeit wird ihnen zuteil. Denn hinter dem Deckmantel ihrer Untaten wird ja stets handfeste Politik betrieben, werden Demokratien ausgehebelt und mühsam erkämpfte Rechte vernichtet. Das ist nicht lustig. So atemberaubend auch die Volten der Polit-Clowns, so absurd ihre Verkleidungen (Donald Trump als Orange-Clown) und so abgefeimt ihre Intelligenz und so abgründig ihre Ignoranz sein mögen.

Mein Schweigen ist so gesehen gelebte Coulrophobie. Oder besser, sie war es. Ich will mich in Zukunft nicht mehr an diesen unerfreulichen Gestalten abarbeiten. Das tun andere in genügendem Ausmaß, teilweise sogar übereifrig – Stichwort: „unverdiente Aufmerksamkeit“. Meine forsche These ist, dass dieses Horrorkapitel doch irgendwann zu Ende geht. Vielleicht gerade dadurch, dass man zeigt, wie es anders besser gehen könnte. Mein Thema soll also wieder die „Zukunft“ sein. Also Szenarien, wie eine Welt aussehen könnte, die wir uns noch nicht so recht vorstellen können.

Sprunghafte Zukunft

Das Thema Zukunft kann man bierernst betreiben. Die Gefahr ist, dass man dabei schnell mal mit einer Prognose komplett daneben liegt. Jeder ist viel zu sehr im Hier und Jetzt, oder – noch schlimmer – im Überkommenen, Vergangenen gefangen, um wirklich frei und unvoreingenommen Künftiges vorhersagen zu können. Und selbst wenn man es könnte, gefällt es oft genug der Zukunft, es sich noch einmal völlig anders zu überlegen.

Der beste Beweis dafür ist, dass Zukunftsforscher zwar mit ihren Büchern und den Beratungsleistungen bei Firmen gutes Geld verdient haben. Reich geworden ist keiner, indem er sein Geld auf eine Zukunftstechnologie gesetzt hat. Ober anders formuliert. Larry Page und Sergej Brin sind mit Google reich geworden, Mark Zuckerberg mit Facebook und nicht Timothy Berners-Lee, der „Erfinder“ des Internet oder gar einer der Vordenker des Internet wie Jaron Lanier oder andere.

Silly idea contest: Utopolgy

Ich werde mir in Zukunft eher die Idee des legendären Futurologen zu Herzen nehmen: „thinking the unthinkable“, das Undenkbare denken, über das Undenkbare nachzudenken. Eine Praxis, die auch Wired-Urgestein Kevin Kelly oder Musikologe Brian Eno pflegen. Wir ahnen heute recht gut, was auf uns in Zukunft zukommen kann. Aber wir vergessen allzu oft, darüber ganz naiv und kreativ nachzudenken. Nur so können wir aus der Umklammerung des Bekannten entkommen.

Ich möchte nachdenken, wie eine Welt aussehen könnte, in der eine Share-Economy herrscht. Wie könnte eine Welt und wie könnten Gesellschaften funktionieren, in der Existenzängste – dank garantiertem Grundeinkommen – der Vergangenheit angehören. Wie kann künstliche Intelligenz unsere „menschliche“ Intelligenz unterstützen – und wie könnten wir diese human intelligence, wenn sie von lästigen Alltagsarbeiten entlastet ist, weiterentwickeln? Oder wie sieht eine Welt aus, in der wir keine Energieprobleme mehr haben?

Man könnte mit solch einem Denken die Futorologie um eine Utopologie erweitern. Vorgemacht hat so etwas vor mehr als 100 Jahren Jules Verne. Er hat sich Geschichten dazu ausgedacht, wie es aussehen könnte, wenn Mythen und ewige Wünsche der Menschheit Wirklichkeit werden: Eine Reise zum Mond, eine Tauchfahrt in den Ozeanen, eine Reise um die Welt und vieles mehr. Fragt sich, ob der Wunschkatalog von uns Menschen längst erschöpft ist. Ich denke nicht.

Lust auf Zukunft

Die Zuversicht auf eine positive Zukunft schrumpft die letzten Jahre immer mehr. Die Idee, „meine Kinder sollen es einmal besser haben als wir selbst“, scheitert an negativen Zukunftsperspektiven. Das zunehmende Versagen von (etablierter) Politik und Wirtschaft ist eine Ursache dafür. Die Apokalyptik unserer Medienwelt samt den Panikverstärkern der Social Media verstärkt den Zukunftspessimismus. Unsere auf die real existierende Wirklichkeit genagelte Denkweise findet da keinen Ausweg. Eine Dosis Utopologie kann da nicht schaden. Vor allem wenn sie ein gutes Stück Wahrscheinlichkeitsnähe mit sich trägt.

Klar ist, dass man sich, wenn man eine positive, strahlende, vielleicht bisweilen auch faszinierende mögliche Zukunft ausmalt, lächerlich machen kann. Sogar ganz sicher lächerlich macht. Das ist vielleicht sogar Absicht. Es ist nicht schlecht, mit einem Lächeln oder Grinsen in die Zukunft zu ziehen. Ernst und Bitterkeit, Angst und Bedenken gibt es sowieso genug.

Man macht sich sicherlich in den Augen der Ernsthaften und Bedenkenträger, der Pessimisten und Untergangsapologeten zum Clown, wenn man die Zukunft rosig ausmalt. Ich will das Experiment mal wagen, mich zum rosa Clown zu machen. Mal sehen, wie das so ist. Mal sehen, wie viele Ideen das freisetzt. Mal sehen, wie sehr das Spaß macht. Mal sehen, wie das so ankommt. Mal sehen, ob der rosa Clown vielleicht Mut macht. Nicht zuletzt für die Welt unserer Kinder.

 

2 Kommentare zu „Der rosa Clown

  1. Schön, endlich wieder von Ihnen zu lesen.
    Die Welt braucht viel mehr rosa Clowns. Ich werde nicht lachen, sondern freu mich über Zeitgenossen, die heute rosige Aussichten wagen.
    In diesem Sinn: to infinity and beyond!

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