Trumps Apokalypse

Die Endzeitphantasien des Stephen Bannon

Ich bin am 8. November 2016 sehr spät ins Bett gekommen. Und weil so spät schon die Ahnung in der Luft lag, dass Donald Trump der 45. Präsident der USA werden könnte, habe ich schlecht geschlafen. Als am nächsten Morgen klar war, dass The Donald die Wahl gewonnen hatte, war das niederschmetternd.

Mein Entsetzen ging in zwei Richtungen:

  1. Wie konnte es passieren, dass diese Nation, die uns erst beigebracht hat, wie Demokratie geht und die uns vorgelebt hat, welche grandiosen Vorteile das hat, dass diese Nation diesen bizarren Narzissten, der mit Demokratie nichts am Hut hat und mit ihr nichts anfangen kann, zum Präsidenten wählt? Einen Menschen, der sich in jeder Beziehung, menschlich, geschäftlich, persönlich als Präsident öffentlich effektiv disqualifiziert hat?
  2. Wie kaputt muss eine Nation sein, wie wütend und/oder verzweifelt, dass sie solch einen Menschen zum Präsidenten wählt, mal abgesehen von der Gegenkandidatin. Ich habe mich immer über die sichtbaren Widersprüche bei meinen Besuchen in den USA gewundert. Habe die Ineffiktivität der Arbeit dort und den Niedergang der Infrastruktur registriert. Und habe nicht die nötigen Schlüsse daraus gezogen.

Die Säulen der Zivilisation

In dieser Stimmung habe ich wenige Tage später, am 15. November, einen Mitschnitt einer Rede und einer Fragerunde mit Stephen Bannon, damals Wahlkampfmanager von Donald Trump, heute sein engster Berater, gelesen bzw. gehört. Diese Rede und die nachfolgende Fragerunde hielt er im Sommer 2014 im Vatikan auf Einladung eines DHI, des Dignitatis Humanae Institute (Rom & Brüssel), einer rechtsreligiösen Institution.

Der Artikel und der Mitschnitt erschienen damals im amerikanischen Buzzfeed samt Tonspur. Der Text ist mittlerweile aber auch in kompletter Länge auf der Website der Dignitatis Humanae abgedruckt, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, die „Säulen der westlichen Zivilisation hochzuhalten: das Christentum.“

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Diese Rede hat mich zutiefst erschreckt und mich das Schlimmste für die damals noch bevorstehende Amtszeit von Donald Trump befürchten lassen. Nach den ersten Tagen seiner Regierungszeit hat er meine Befürchtungen eher übertroffen. Vor allem weil Stephen Bannon eine dominierende Rolle unter seinen Beratern innehat und er ihn sogar noch zum Chef des Nationalen Sicherheitsrates (!) gemacht hat.

Die Spielarten des Kapitalismus

Der Schrecken der Rede war zweischneidig. Zum einen war seine Analyse des Zustands der Welt, der Ökonomie und der Machtverhältnisse sehr genau und in weiten Teilen durchaus teilbar. Teilweise klang er wie ein Mitglied einer juvenilen Linken. Er beklagte die Entwicklung des Kapitalismus hin zu einem Bereicherungsinstrument von Politikern (Putin & Konsorten), den Kleptokraten und von hypergierigen Eliten, die den Neoliberalismus dafür nutzen, die Mittelklasse auszubluten, um sich selbst noch gnadenloser mit absurden Geldmengen zu bereichern.

Bannon stellt dem einen aufgeklärten, christlichen Werten verpflichteten Kapitalismus entgegen. (Passend im Vatikan.) Er beschreibt die Pax Americana der Nachkriegszeit als das beste Beispiel für solch einen verantwortungsbewussten Kapitalismus, eine Zeit, in der der Mittelstand prosperierte und das Geld gerecht zwischen Oben und Unten verteilt wurde.

Stephen Bannon hat recht, wenn er die Art und Weise anprangert, wie die Finanzkrise auf Kosten der Mittelschicht gelöst wurde und die Reichen noch reicher machte. Entsprechend sieht er – und das ist lange vor Trumps Aufstieg – den Aufstand dieser Mittelschicht voraus.

Der Werteverlust der Säkularisation

Stephen Bannon ist auch – mit Vorbehalten – zuzustimmen, wenn er die Entwicklung der Säkularisierung unserer Welt kritisiert – wie es ja auch der so linke Papst Franziskus tut. So gut es war, uns aus dem Wertekorsett der christlichen Religionen zu befreien, ist es doch in weiten Teilen nicht gelungen, die Wertefabrikation in unserer aufgeklärten Gesellschaft jenseits christlicher Moralvorstellungen oder politischer Ideologien funktionabel  zu organisieren: Menschenrechte, Diversität, Toleranz, Solidarität etc.

An dieser Stelle schmerzt es, wenn man sieht, wie treffend seine Kritik ist, wie wenig davon in unserer Gesellschaft ernsthaft diskutiert wird. Stattdessen werden atemlos immer neue Hysterien hyperventiliert. Schmerzhaft auch, wie beflissen die Medien diese Ablenkung vom Wesentlichen bedient haben – und wie unbeachtet der Aufstand der Mittelschicht in den USA blieb, die Donald Trump ins höchste Amt der Vereinigten Staaten gepu(t)scht hat.

Die blutige Revolution

Diese argumentative Basis macht es Bannon – und als sein Sprachrohr Donald Trump – so leicht, sich als Sprachrohr des enteigneten Mittelschicht, der von Verlust- und Armutsängsten geplagten „ehrlichen, harten Arbeiter“ zu gerieren. Auf dieser Basis scheinbaren „gesunden Menschenverstandes“ und unter dem Banner eines aufgeklärten, gerechten und sozialen Kapitalismus, baut dann Bannon ein beängstigendes Zukunftsszenarium auf.

Stephen Bannon glaubt nämlich nicht daran, dass sich die Welt zum Besseren wenden ließe. Er glaubt nicht an die Evolution. Und schon gar nicht glaubt er an die Wandlungsfähigkeit des bestehenden Systems. Er sieht nur eine Chance zur Wandlung zum Besseren: die komplette Zerstörung, eine tiefgreifende Krise, ja am besten ein Krieg, ein Weltkrieg, mindestens zwischen Amerika und China.

Krisen alle 80 Jahre

Bannon ist dabei Anhänger der Geschichtstheorie der beiden Amateurhistoriker Neil Howe und William Straus, die seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts die These verbreiten, dass weltgeschichtlich alle 80 Jahre tiefgreifende, meist kriegerische Krisen alte Systeme zum Einsturz bringen und neue Systeme kreieren, so nach dem Phönix-aus-der-Asche-Prinzip. In einem interessanten Artikel in der amerikanischen Zeitschrift Time beschreibt Neil Howe, wie Stephen Bannon ihn in einem Interview immer wieder dazu drängte, zu bestätigen, dass es jetzt wieder soweit ist, dass jetzt die große, vierte neue Weltordnung (fourth turning) vor der Tür stehe, samt Krieg und Zerstörung etc.

So ein Mann steht jetzt an den Schaltern der Macht und hat sichtlich das Vertrauen von Präsident Trump. Er ist sein Chefstratege, sein Chefideologe – und er macht keinen Hehl daraus, dass die Zerstörung des bestehenden Systems sein vorrangiges Ziel ist. System heißt hier nicht nur Kapitalismus, sondern Globalisierung, Moderne, Vielfalt, Toleranz, Demokratie, Gewaltenteilung etc. Alles!

Was für ein Horrorszenario. Es ist kein Zufall, dass Bannon seine Thesen ausgerechnet im Vatikan vor religiösen Rechten verkündet hat. Die hatten es ja noch nie so sehr mit Demokratie, Menschenrechten und dem ganzen „Gedöns“. Die wollten noch nie ein Paradies auf Erden, das gibt schließlich es erst nach dem Tod und der Auferstehung.

Fragt sich, wie sich Stephen Bannon die Welt vorstellt, wenn sie nach Zerstörung und Untergang wieder neu entstehen sollte… – erleben mag man es selbst eigentlich nicht so recht..

Ein Kommentar zu „Trumps Apokalypse

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